Unter dem Regenbogen erstärkt der Widerstand gegen Pegida
Selten fasst ein Bild das Klima unserer Stadt so gut zusammen: Die weltbekannte Frauenkirche, wiederaufgebaut als Wahrzeichen für Frieden, ein wunderschöner Regenbogen, der für die vielen emphatischen Menschen der Stadt steht, die Flagge der Seebrücke als Hinweis, dass es einer Stadt, in der die Mission Lifeline zu Hause ist, gut zu Gesicht stünde, ein sicherer Hafen zu sein und unten im Bild der Hass und die Hetze mit seinen Fahnen. Alles dicht gedrängt.
Der Hass und die Hetze haben gestern ihren Stammplatz zurück erobert. Sie sind wieder in gewohnter Menge da und werden nun wohl wieder jede Woche kommen. Sogar der große Lutz Bachmann ist aus seinem Exil in Teneriffa eingereist.
Die Versammlungsbehörde hat bis hin zur Androhung von Freiheits- und Geldstrafen im Vorfeld ihr Bestes gegeben. Die Beamt*innen der Polizei haben aufgepasst, dass der Gegenprotest auch nicht mehr als den zugewiesenen Fußweg einnimmt. Ach ja, da wäre ja auch noch ein wenig abseits der Jüdenhof gewesen, den man hätte mit nutzen können. Nett, oder? Tut uns jetzt echt leid, dass sich der Lauti nicht dahin abdrängen lies. Was während des Aufzugs von Pegida passiert ist, haben wir persönlich nicht mitbekommen. Schaut dazu bitte auf einschlägigen Seiten. Wir hoffen sehr, es ist niemand ernsthaft zu Schaden gekommen.
In der Pegida-Laufpause gab es einen richtig guten Redebeitrag der Seebrücke Dresden.
Redebeitrag der Seebrücke Dresden am 29.06.2020
Den folgenden Beitrag möchte ich mit dem Titel überschreiben: „Warum Europa der Friedensnobelpreis entzogen werden sollte.“
Aktuelles von der Außenmauer der Festung Europa. Seit Wochen kommen wenige bis gar keine Boote mit Schutzsuchenden auf den Hotspot-Inseln der Ägäis an. Hilfsorganisationen wundern sich darüber und finden die Antwort in den kriminellen Vorgehensweisen der griechischen Küstenwache. Seit Jahren beklagen Menschenrechtsbeobachter*innen auf der Ägäis die illegalen Zurückdrängungen von Geflüchteten ausgehend von der griechischen Küstenwache. Schlauchboote werden durch das Erzeugen von Wellen wieder in türkische Gewässer gedrängt und die Motoren der Boote werden von griechischen Küstenwächter*innen abmontiert und die Menschen zurückgelassen. Erst letzte Woche dokumentierten investigative Journalist*innen vom SPIEGEL, wie die griechische Küstenwache über mehrere Stunden um ein Schlauchboot kreiste, damit Wellen erzeugte und die Menschen einer unnötigen Gefahr aussetzte. Erst in der Nacht, konnte durch den Druck von NGOs erwirkt werden, dass die Menschen an Land gebracht wurden. Der internationale Rechercheverbund „Lighthouse Reports“ deckte nun eine wohl neue Taktik der Küstenwache auf, die noch perfider erscheint. Geflüchtete, die schon fast am rettenden Ufer von Griechenland sind, werden auf Rettungsinseln ausgesetzt, die ähnlich instabil sind wie ein Schlauchboot. Ein Video eines Betroffenen zeigt, dass die Rettungsinsel an einem Seil Richtung Türkei gezogen wird. Forensische Analysetechniken bestätigen, dass die Landschaft am Horizont eindeutig die Türkei ist und das schleppende Boot eines der griechischen Küstenwache. Zuvor wurde das Schlauchboot von maskierten Männern dieses Küstenwachbootes mit Bootshaken attackiert. Auf Samos gab es währenddessen seit zwei Monaten keine Registrierungen von Neuankömmlingen mehr, obwohl Einheimische mit einer Gruppe Ankommender gesprochen haben. Diese ist einfach verschwunden und tauchte wenig später auf einer Rettungsinsel auf der Ägäis wieder auf. Die Menschen hatten Griechenland schon betreten und wurden wieder auf dem Wasser ausgesetzt.
Eine ähnliche Situation herrscht auch auf dem Festland: Videos von Geflüchteten beweisen, dass Menschen von maskierten Männern über den Grenzfluss Evros in die Türkei zurückgebracht werden. Betroffene geben an, dass sie zuvor zusammengeschlagen und ihnen die Handys abgenommen wurden. Griechenland verstößt damit gegen den rechtlichen Grundsatz der Nichtzurückweisung, illegale Pushbacks genannt, geregelt in der Genfer Flüchtlingskonvention. Ebenso verstoßen sie gegen geltendes Asylrecht, indem Menschen des Landes verwiesen werden ohne überhaupt ein Asylantrag gestellt zu haben.
In den Camps sieht die Situation nicht besser aus. Noch immer sind die Zustände auf den griechischen Inseln Samos, Chios und Lesbos katastrophal, menschenunwürdig und untragbar. Noch immer ist nichts passiert. Aus dem Versprechen Deutschlands, 1500 Minderjährige zu evakuieren ist aufgrund Corona nichts geworden. Noch immer leben fast 24.000 Schutzsuchende unter höchst unmenschlichen Bedingungen, ohne Zugang zu Grundversorgung. Für die grundlegende Bedürfnisse wie Unterkunft, ausreichend Nahrung, medizinische Versorgung und die Verfügbarkeit von sanitären Einrichtungen ist nicht gesorgt. Geschweige denn für Privatsphäre, psychologische Hilfe, Selbstbestimmung, Bildung und gesellschaftliche Teilhabe. Noch immer werden Schutzsuchende die in Moria leben nicht gehört.
Im Mai verfasste und adressierte eine selbstorganisierte Gruppe von Menschen aus dem Camp – Moria im Abstand von drei Wochen zwei Briefe an die europäischen Regierungen, die Öffentlichkeit und Zivilbevölkerung. Das Moria Corona Awareness Team. Sie schreiben: „Wir warten immer noch und die Bedingungen ändern sich nicht. Wir fragen: sind wir keine Antwort wert, während so viele Menschen über Moria sprechen und deutsche Minister Moria sogar als „Schande Europas“ bezeichnen? Wir haben immer noch nur drei Stunden Wasser am Tag, immer noch ist die gesundheitliche Versorgung sehr schlecht und es gibt keine Infrastruktur. Wir fragen nicht um Mitleid und Almosen, wir fragen lediglich nach den Rechten, die uns laut der Genfer Flüchtlingskonvention und der europäischen Erklärung der Menschenrechte, zustehen.“
Die letzten Wochen sprach ganz Europa von Social Distancing und Eingrenzung der Infektionen. In Moria und den anderen Camps, ist jedoch die Abstandseinhaltung schlichtweg nicht möglich. Das Moria Corona Awareness Team schreibt dazu in ihrem offenen Brief: „Jede Empfehlung, wie man die Ausbreitung von Corona vermeidet, klingt illusionär für uns: Wie sollen wir Abstand halten, wenn Tausende jeden Tag auf Nahrung warten müssen? Wie sollen wir unsere Hände waschen, wenn kein Wasser zur Verfügung ist? Wie können wir Kranke isolieren, wenn dafür kein Platz ist?
Zu Beginn der Krise fühlten wir uns verlassen und waren völlig unvorbereitet. Wir haben einige Maßnahmen ergriffen, um uns mit der Unterstützung einiger, vor allem lokaler griechischer NGOs, selbst zu organisieren, um das Bewusstsein der Menschen im Camp zu schärfen und uns auf das Schlimmste vorzubereiten. In den letzten Wochen haben wir Vieles geschafft: das Lager gereinigt, Handwaschstationen aufgebaut, Plakate und Flugblätter gedruckt und andere Aktivitäten durchgeführt. Während sich in Griechenland und hier auf Lesbos Corona ausbreitete, erwarteten wir das Schlimmste, weil dieses Virus im Lager wie ein Todesurteil für alte, kranke und andere schutzbedürftige Personen wäre.“
Geflüchtete Menschen, auf der Suche nach einem sicheren Ort und mit der Hoffnung in Europa endlich Frieden zu finden, werden hier noch mehr gedemütigt und wie Menschen zweiter Klasse behandelt.
Zum Glück ist das Virus bisher noch nicht in die Camps gelangt. Vielleicht ist es aber auch nur eine Frage der Zeit. Während sich die Lager nach wie vor im Lockdown befinden, mit anhaltenden Ausgangsbeschränkungen, dürfen wieder Urlauber*innen aus aller Welt auf die Insel strömen.
Zum Schluss noch ein kurzer Ortswechsel. Dieser darf wie auch die griechischen Inseln, nicht aus dem Blick gelassen werden. Das zentrale Mittelmeer. Im Mai und Juni konnten glücklicherweise wieder zivile Seenotrettungsorganisationen auf dem Mittelmeer unterwegs
sein, um Menschen zu retten. Im Mai konnte Sea-Eye 146 und die spanische Aita Mari 47 Schutzsuchende die aus libyschen Folterlagern entkommen konnten, retten. Im Juni rettete Sea-Watch 211 Menschen. Vor drei Tagen konnte die Ocean Viking 118 Menschen vor dem Tod bewahren. Zuvor war das Mittelmeer für einige Wochen aufgrund von Corona ein komplett blinder Fleck.
Aber auch an dieser Außengrenze, wird gegen Menschen auf der Flucht ähnlich pervers und skrupellos vorgegangen:
Ein Gesandter vom Büro des maltesischen Premierministers hatte im April unter Eid zugegeben, mehrere illegale Zurückdrängungen, also Pushbacks, von Schutzsuchenden nach Lybien koordiniert zu haben. Auf Anweisung des Büros des Innenministeriums. Zuletzt haben die maltesischen Behörden Handelsschiffe aufgefordert, Boote mit Schutzsuchenden NICHT zu retten. Zudem besteht der Vorwurf private Fischerboote engagiert zu haben, um Geflüchtete nach der Rettung nach Lybien zurück zu bringen. Malta verstößt damit klar genauso wie Griechenland gleichzeitig gegen mehrere internationale rechtliche Abkommen.
Parallel dazu läuft ein Ermittlungsverfahren gegen den maltesischen Ministerpräsidenten, Geflüchteten in Seenot die Rettung verwehrt zu haben. Laut der Nichtregierungsorganisation „Alarm Phone“, schnitten maltesische Küstenwächter*innen das Motorkabel eines Bootes durch und retteten die Betroffenen erst durch internationalen Druck durch die New York Times. Zuvor mussten die Schutzsuchenden Personen schon fünf Tage auf dem Meer ausharren und die maltesischen Behörden retteten erst nach 41h. Für dieses bewusste Nichts-Tun und Hinauszögern von Rettungen von Seiten der maltesischen Küstenwache, gibt es von Alarm Phone zahlreiche Beweise und dokumentierte Aufnahmen.
In der Woche vom 16.-22.Juni 2020 wurden laut IOM 422 Migrant*innen auf See abgefangen und nach Libyen zurückgebracht. Wieder illegale Pushbacks – die durch Investitionen in Millionenhöhe in die Ausbildung und Ausstattung der libyschen Küstenwache durch die EU erst möglich gemacht werden.
Wissentlich nehmen europäische Regierungen das Sterben auf dem Mittelmeer in Kauf, das täglich Menschen in Libyen gefoltert werden und die humanitäre Krise auf den ägäischen Inseln weiter wächst.
Zum Jahrestag des Kriegsende des 2.Weltkrieges schwadronieren jährlich am 08.Mai heuchlerisch Politiker*innen insbesondere in Deutschland, über weltweiten Frieden und dass überall Menschen in Not auf die Hilfsbereitschaft der Deutschen zählen können, wie Horst Köhler einmal sagte.
Wir fragen uns, wo ist diese viel beschworene Solidarität? Warum wird sich nur solidarisch mit Menschen einer bestimmten Nationalität, mit einer bestimmten Herkunft gezeigt? Das Bild eines perfiden Rassismus, der an den europäischen Außengrenzen ganz offenbar gängige und alltägliche Praxis geworden ist, zeichnet sich immer deutlicher ab. Die Lippenbekenntnisse deutscher sowie europäischer Politiker*innen sind angesichts der lebensbedrohlichen Lage vieler schutzsuchender Menschen eine Katastrophe. Was heute wichtiger ist als nur den ‚guten’ Willen zu zeigen: Wir müssen endlich handeln. Die europäischen Außengrenzen dürfen nicht länger Orte der Abschottung, der Willkür und Orte der Unmenschlichkeit sein! Angesichts der Geschehnisse der vergangenen Monate und der sich immer mehr offenbarenden hässlichen Fratze der europäischen Gleichgültigkeit und der europäischen Gewalt gegenüber schutzsuchenden Menschen fordern wir die Rückgabe des Friedensnobelpreises. Ein solches Europa ist dieser Auszeichnung nicht würdig.
Solange Menschen auf der Flucht von Seiten der Politik und der Mehrheit der europäischen Gesellschaft offenbar die Unterstützung auf Frieden und ein gutes Leben verwehrt wird, müssen wir solidarisch und stark bleiben. Es liegt in unserer Verantwortung als Europäer*innen und Menschen überhaupt, gegen Entrechtung und das Übergehen von Menschenrechten lautstark zu protestieren uns zu wehren und dafür Sorge zu tragen, dass die Zukunft eine andere, eine bessere und gerechtere für alle Menschen wird. Also – macht den Mund auf.
Wir danken allen, die gestern mit uns auf der Straße waren. Danke an die Menschen von HOPE – fight racism für die Orga der Demo, Banda Comunale und den unermüdlichen Kämpfer*innen von Rhythms of Resitance für lautstarke Umrahmung der Veranstaltung.
Auch wenn wir uns noch nicht ganz im klaren sind, wie es am kommenden Montag laufen wird, wir sehen uns auf der Straße.
Bleibt bis dahin schön gesund!
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