Art. 5 I 1 GG – Meinungsfreiheit
Heute möchte ich mich mit der Meinungsfreiheit beschäftigen und wie immer wenden wir uns zuerst dem Gesetz zu.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Wie man sieht, normiert Art. 5 GG weit mehr als die Meinungsfreiheit, aber heute soll es nur um diese gehen. Um Zensur und das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ sowie Kunstfreiheit und vieles andere kümmern wir uns ein anderes Mal.
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten….
Was im ersten Moment bereits ins Auge fällt, ist, dass das Grundgesetz nicht definiert, was eine Meinung ist. Also müssen wir dann wohl woanders nach einer Definition Ausschau halten. Die gängigste findet sich im Pieroth/Schlink, § 13, Rn. 598.
Äußerungen, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt sind.
Auch noch nicht viel klarer, oder?
Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens? Was könnte das denn sein? Ganz einfach ist die Abgrenzung nie. Eine Meinung könnte aber sein: „Die Corona Maßnahmen beeinträchtigen meine Grundrechte und deswegen lehne ich diese Maßnahmen ab.“
Diese Aussage ist eine Stellungnahme, „beeinträchtigen meine Grundrechte“ verbunden mit einer Wertung „lehne ….. ab“ und daher eine Meinung.
Als wichtig sieht das Bundesverfassungsgericht dabei ein „Element des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung“ an. Hä?
Geistige Auseinandersetzung, also Reflektieren, scheint also eine Rolle zu spielen. Ob die Meinung richtig ist, oder so wie die in dem obigen Beispiel eben nicht, ob sie fundiert, logisch ist, all das spielt bei der Meinungsfreiheit keine Rolle. Aber es muss erkennbar sein, dass eine Auseinandersetzung mit dem Thema, das in der Meinung zum Ausdruck kommt, stattgefunden hat.
Es spielt also eine Rolle, ob zu erkennen ist, dass man sich mit einem Thema beschäftigt hat und dieses Beschäftigen zu einer Wertung geführt hat.
Beispiel: Ich bin der Ansicht, dass man Berufsbezeichnungen nicht gendern sollte. Dies macht im Alltag vieles komplizierter und stört den Sprachfluß. Eine Herabsetzung des jeweils anderen Geschlechtes sehe ich darin nicht, da das Weglassen oder Hinzufügen von „innen“ keinerlei Missachtung der Person darstellt.
Prüfen wir doch diese Aussage mal auf Meinung. Ich habe zu einem Thema Stellung bezogen. Ich habe mich auch damit auseinandergesetzt. Sicher gibt es viele Menschen, die das jeweils ebenfalls mit einer mehr oder weniger guten Begründung anders sehen, gleichwohl ist es eine Meinung.
Keiner sagt, dass Meinungen anderen gefallen müssen, dass man diesen zustimmen muss, dass man nicht widersprechen darf. Ganz im Gegenteil, auch der Widerspruch ist eine Meinung, ein Auseinandersetzen mit meiner Meinung und eine Stellungnahme zu derselben und fällt damit ebenso unter den Schutz des Art. 5 GG.
Ich habe das Recht, meine Meinung zu verbreiten! Aber was ich nicht habe, ist ein Recht darauf, dass jemand diese zur Kenntnis nimmt.
So weit, so gut.
Was ist denn keine Meinung? Oder wann darf ich meine Meinung nicht sagen?
Auch Grundrechte haben Grenzen und diese sind sogar im Grundgesetz niedergeschrieben, müssen sie auch sein.
Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Ich kann also noch so sehr der „Meinung“ sein, Herr XYZ sei ein Verbrecher, wenn ich das äußere komme ich den Bereich der Strafbarkeit wegen Beleidigung.
Wenn ich hingegen nach Auseinandersetzung mit der Äußerung eines Politikers zu der Ansicht komme, dass diese Äußerung nur von einem Rechtsextremen getätigt worden sein kann, da diese auch bereits von den Nationalsozialisten nahezu wortgleich geäußert wurde, mit dem Schluß, dass eben dieser Politiker daher meiner Meinung nach ebenfalls rechtsextrem ist, so bewege ich mich sehr wohl noch im Rahmen der Meinungsfreiheit.
Meinungsfreiheit und Bullshit
Tatsachen sind in der Regel keine Meinung. Tatsachen sind dem Beweis zugänglich. Entweder ist das Auto sofern es einfarbig ist, rot oder schwarz. Das ist eine Tatsache und wenn ich dann meine, ich könnte die Aussage „Das Auto ist blau“ als Meinung deklarieren, pechgehabt, das ist keine!
Das Bundesverfassungsgericht geht da sehr differenziert vor:
Die Äußerung einer Tatsache stellt im strengen Sinne keine Äußerung einer Meinung dar, weil ihr gerade das für eine Meinung charakteristische Element der Wertung fehlt. …..Wenn und soweit eine Tatsachenäußerung jedoch Voraussetzung für die Bildung einer Meinung ist, wird die Tatsachenäußerung von der Meinungsfreiheit geschützt. Die bewusste Behauptung unwahrer Tatsachen fällt demgegenüber nicht in den sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit, weil sie zur Meinungsbildung auf zutreffender Tatsachengrundlage nicht beitragen kann.
Ist damit auch der Weltverschwörungsmist eines Herrn Hildmann, das Reichsbürgergesülze, Reptiloiden aus dem Erdinneren, Chemtrails und vieles mehr eine Meinung?
Nein!
Es sind schlicht und einfach Lügen, Märchen oder wie diese unsägliche Sprecherin des POTUS sagte „Alternative Fakten“ und damit keine Fakten. Es sind keine Auseinandersetzungen mit Tatsachen, es sind schlicht und einfach haarsträubender Blödsinn. Und damit fällt dieser Bullshit auch nicht unter die Meinungsfreiheit!
Meinungsfreiheit und Kritik
Auch Kritik ist Meinung.
Wann ist denn Kritik nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt?
Das ist auch dann der Fall, wenn die Grenzen den Schutzes der persönlichen Ehre überschritten sind. Schmähkritik.
„Das ist der größte Humbug, den ich je gehört habe!“ fällt nicht unbedingt unter die Meinungsfreiheit. Das kann sich aber sehr schnell ändern, wenn man diese Aussage begründet, wie zum Beispiel mit „der Erdkern ist flüssig und verdammt heiß, da lebt nichts auch keine Reptiloiden.“
Beleidigungen
Es gibt Aussagen, die, wenn man sie an einen Menschen richtet, immer eine Beleidigung sind, und damit nie unter die Meinungsfreiheit fallen. Ich möchte diese hier nicht aufführen, aber ich denke alle wissen, welche Art von Äußerungen da gemeint sind. Egal, wie man es verpackt, auch wenn man „ich meine“ voranschickt, es bleibt eine Beleidigung.
Während „Rechtsextrem“, „Linksextrem“ oder „total unrealistisch“ eine Wertung sein kann, die durch Reflektion der Aussagen einer Person entsteht und damit eine Meinung, ist „Scheiß-Nazi“ keine. Und auch viel was die Rechtsextremen so von sich geben, ist keine, selbst links-grünversiffter Gutmensch nicht, ich bin alles Mögliche aber nicht versifft!
Dies ist wie immer nur ein kleiner Einblick in die Meinungsfreiheit. Das Thema ist viel zu komplex und umstritten, um es in einem kleinen Blog aufarbeiten zu können.
Und oft ist gleichzeitig viel mehr und auch viel weniger „Meinung“ als man so denkt. Der Zusatz „Ich meine“ macht jedenfalls etwas Unzulässiges nicht zu einer Meinung und Lügen auch nicht zu Tatsachen, allenfalls zu alternativen Fakten, was dann also Nicht-Fakten wären.
Achtet darauf, Eure Ansicht, die Ihr Euch gebildet habt, auch zu begründen, insbesondere in den sozialen Netzwerken, weil das ein wichtiger Punkt ist, der die Reflektion zeigt.
Und unabhängig davon, immer höflich bleiben!
Freiheitlich-Demokratische Grüße
Ein Jurist
Ein Jurist -
Ass. Iur.
In regelmäßigen Abständen werde ich, Volljurist aus NRW, hier etwas über unsere Verfassung und vielleicht auch das eine oder andere Thema schreiben. Ich erhebe, anders als manche Berufskollegen, keinen Anspruch auf 100%-ige Richtigkeit oder Vollständigkeit. Das ist hier auch nicht möglich. Wer das möchte, begebe sich zu einer größeren Stadtbibliothek, besorge sich dort den Bleibtreu-Klein oder den Jarras-Pieroth, beides gute Kommentare zum Grundgesetz, und nehme sich dann viel Zeit, so eine Woche, wobei das eigentlich zu wenig ist, weil man sich ja auch mit Rechtssystematik beschäftigen muss, und dann hat man einen ersten Überblick. Für sachliche Kritik, sinnvolle Ergänzungen und Widerspruch bin ich immer zu haben.