#ks2003-Frust auch bei der Polizei – ein Polizist berichtet
Die Bilder aus Kassel haben uns alle sprachlos gemacht! Wie konnte der Staat erneut so versagen? Auch die Polizeibeamt:innen geraten immer mehr unter Generalverdacht – angesichts des Verhaltens der Beamten vor Ort durchaus verständlich.
Was uns dann aber doch auf positive Weise überrascht hat, sind die kritischen Stimmen aus den Reihen der Polizei selbst. Hierzu wurden uns die Aussage eines Polizisten zugespielt, welche er halböffentlich unter seinen Kollegen:innen teilte – und dafür Zuspruch bekam. Da wir die Aussage hier nicht im genauen Wortlaut wiedergeben können, um den Beamten nicht zu gefährden, folgt eine grobe Zusammenfassung seines Statements:
„Inzwischen reicht es auch mir. Schon wieder haben Führung und Einsatzleitung bis ins Ministerium hinein sowohl politisch, als auch taktisch versagt. Da gibt es wirklich nichts mehr schön zu reden. Es war von Anfang bis Ende ein einziges Desaster. Schon die Anreise war unübersichtlich und chaotisch. Wir haben versucht, was wir konnten, aber da schon schnell die Kontrolle verloren.
Wie sollten wir das dann bitte erst im Stadtzentrum wieder in den Griff bekommen?
Wir haben uns die ganze Zeit nach der Anreisephase zunächst die Füße in den Bauch gestanden und bekamen über Funk mit, wie es rings um uns herum überall zu eskalieren begann.
Unsere Gruppen- und Zugführer habe ich dabei noch nie mit einem solch fassungslosen und zugleich um Ruhe ringenden Ausdruck erlebt. Zunehmend wurden die Aufforderungen über Funk, doch endlich zum Einsatz zu kommen immer fordernder und Ja, auch wütender. Erst nach etwa zwei Stunden bekamen wir dann den Auftrag einzugreifen. Schönen Dank, aber da war es schon zu spät und die Lage bereits in der gesamten Stadt gekippt! Schadensbegrenzung war das einzige, was wir noch betreiben konnten.
Querdenken und Gegenprotest lieferten sich ein Katz- und Mausspiel und wir sollten dazwischen, um sie nur irgendwie zu trennen. Mit der Kräftelage blieb dann auch gar keine Zeit mehr, irgendwelche Corona-Verstöße zu erkennen, geschweige denn zu ahnden. Wandte man sich den Querdenkern zu, schickten die ihre Kinder bis hin zu Babies mit den Müttern entgegen und wir konnten dann gar nicht einschreiten. Pfefferspray oder Schlagstock gegen diesen Wall ist einfach unmöglich! Uns blieb also nur, den Gegenprotest beiseite zu räumen, um wenigstens die Kinder zu schützen.
Sobald wir den Schlagstock dann aber wegstecken, wurden wir angegriffen und beleidigt. Mehrere meiner direkten Kollegen wurden dabei verletzt. Leicht verletzt zwar nur, aber sie wurden neben mir verletzt!
Viele von uns hatten irgendwann innerlich einfach kapituliert. Ein Ankommen gegen so eine Masse mit so wenigen Einheiten ist einfach nicht möglich und man gewinnt den Eindruck, es geht nur noch um die eigene Haut!
Und wofür das Ganze?
Weil Planungsstäbe und auch das Ministerium wieder einmal nicht den Arsch in der Hose hatten, alles in Waagschale zu werfen um für Sicherheit in der Stadt zu sorgen. Weitere Hundertschaften, Reiterstaffeln, Wasserwerfer und Co. hätten nur aktiviert werden müssen. Aber wir sind ja die Deppen auf der Straße und nicht sie!
Ich habe die Schnauze gestrichen voll und bin einfach nur froh, wenn ich zurück und den ganzen Scheiß irgendwie hinter mir lassen kann!“
Dieses Statement des Beamten macht uns bewusst, dass auch die Polizist:innen vor Ort aufgrund fehlender Einsatzkräfte in der Not waren. Es entschuldigt natürlich in keinster Weise das brachiale Vorgehen gegen den Gegenprotest und auch nicht den offensichtlichen Schulterschluss einzelner Polizist:innen mit den „Querdenkern“. Aber seine Schilderung macht verständlich, warum die Polizist:innen in Kassel mit der Situation überfordert waren.
Der nächste mögliche Durchbruch einer Polizeikette kündigt sich an der Oberen Königsstraße an. #ks2003 pic.twitter.com/YGOKLE1mSl
— julius geiler (@glr_berlin) March 20, 2021
Wer übrigens davon ausgeht, dass die Polizei in #Kassel die „Querdenker“ grundsätzlich überall und jederzeit gewähren ließ, liegt auch falsch, wie dieses Video zeigt, das kurz nach dem Durchbruch einer Polizeikette entstanden ist. Auch hier sind Thüringer Beamte zu sehen. #ks2003 pic.twitter.com/7edwkVrlAg
— julius geiler (@glr_berlin) March 21, 2021
Und es macht eines ganz deutlich: Es muss dringend ein Umdenken bei Regierung und Einsatzplanung stattfinden! Wenn Rechtsextreme, Verschwörungsideologen, Reichsbürger, Querdenker oder Pegidisten zu Kundgebungen aufrufen, ist immer mit einer Gefährdung der öffentlichen und demokratischen Ordnung zu rechnen, welche den Einsatz aller verfügbaren Kräfte notwendig macht. Wer nach wie vor bei solchen Veranstaltungen mitläuft, kann sich nicht länger hinter der Maske der “gemäßigten Bürgerlichkeit” verstecken.
Aktuell wird in den meisten Fällen die Gefahr von Links viel höher eingeschätzt, was nicht nur bei den Protesten gegen Querdenker:innen absolut unverhältnismäßig ist. Die BLM-Demonstrationen etwa wurden teilweise von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet, obwohl keinerlei Gefahr für irgendjemanden bestand. Hier wird klar, dass die Polizeileitung mit zweierlei Maß misst: linke Demonstrierende sind scheinbar durch ihre Existenz allein eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken bekämpft werden muss. Damit gegen gewalttätige Querdenker:innen und rechte Demonstrierende dieselben Maßnahmen in Erwägung gezogen werden, müssen sie anscheinend erst an die Türen des Bundestages klopfen. Dazu kommt natürlich, dass die Strategie der Querdenker:innen, Mütter mit ihren Kindern als eine Art Schutzwall zu nutzen, eine ganz andere Einsatztaktik erfordert und wir mit dem behördlichen Schwarz-Weiß-Denken immer wieder gegen die Wand fahren!
Wir bieten den Beamt:innen, die sich zu Wort melden wollen, unsere Plattform an, weil wir wissen, welcher Gefahr sie sich mit kritischen Äußerungen ihrer eigenen Behörde gegenüber in den eigenen Reihen aussetzen. Wir möchten das Umdenken in der Polizei fördern, um der Verbreitung rechter Ideologien in der Polizei entgegenzuwirken! Denn nur wenn sich die Polizist:innen, welche sich weiterhin für den Erhalt unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung einsetzen wollen, zu Wort melden, kann man das Problem innerhalb der Polizei bekämpfen! Dieses Problem ist momentan an zu vielen Stellen zu offensichtlich, um weiter darüber schweigen.
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5 thoughts on “#ks2003-Frust auch bei der Polizei – ein Polizist berichtet”
Moin,
ich muss gestehen daß ich nicht mehr kann. Ich halte mich an alle Regeln. Zum zweiten Mal kann ich meinen Geburtstag nicht feiern, meine Hochzeit ist ausgefallen und wenn ich die Bilder aus Kassel sehe dann empfinde ich das wie ein Schlag ins Gesicht.
Man muss genau hinschauen und differenzieren. Sowohl in der Polizeit, als auch bei den Demonstranten:
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-12/querdenken-bewegung-bundestagswahl-gruene-linke-afd-studie
Zitat: „Typisch für die Bewegung seien auch antisemitische Vorurteile, die zu einigen Verschwörungstheorien gehörten. Autoritäres Denken, Fremdenfeindlichkeit oder die Verharmlosung des Nationalsozialismus sei unter den Anhängern der Bewegung allerdings weniger verbreitet, sagte Nachtwey. Kirchliche oder pietistische Haltungen spielten eine untergeordnete Rolle.“
Ich kann nicht mehr sehen und ertragen, wie vollkommen verblödet die Polizei dasteht. Warum wird hier nicht das Gesetz durchgesetzt? Die Bedingungen und Auflagen waren klar durch das OVG festgelegt.
Und wenn Frauen ihre Kinder und Babys vorschicken, sollte man diese sofort dem Jugendamt zuführen und Kindesmißbrauch und Kindeswohlgefährdung ahnden. Evtl dann mal die Kinder entziehen.
Das oben Beschriebene ist kein neues Phänomen.
Und deswegen nerven mich die diversen Kommentarspalten, in denen immer „die“ Polizei gebasht wird.
Es gibt kein „die“ Polizei! Polizei ist Ländersache und reicht von kleinen Polizeimeister*innen bis zu Polizeipräsident*innen.
Auch gibt es nicht „den“ Verfassungsschutz. Ich würde es begrüßen, wenn die Menschen mehr differenzieren und sich weniger von Feindbildern und Vorurteilen leiten lassen würden.
„Damit gegen gewalttätige Querdenker:innen und rechte Demonstrierende dieselben Maßnahmen in Erwägung gezogen werden, müssen sie anscheinend erst an die Türen des Bundestages klopfen.“ Das doch auch schon wieder Monate her. Ob sie 2x anklopfen müssen?